Alex Flemming - Ping-Pong WM London 2016

Abgeschmirgelte Finger und 2000 neue Nachrichten

Als ich vor relativ genau drei Jahren zum ersten Mal von der World Championship of Ping Pong erfuhr, wusste ich noch nicht, welche Auswirkungen dieses Event auf mich haben würde. Sofort entschloss ich mich damals aber, zu testen, ob mir mein stundenlanges Spiel in Schüler- und Jugendzeiten gegen meinen Bruder mit den ältesten auffindbaren Noppenbrettchen im Keller einen Vorteil bringen würde. Damit war der Grundstein gelegt. Die dritte WM-Teilnahme liegt hinter mir und es gilt wieder, viele Eindrücke und Emotionen zu verarbeiten.

Professionalität und Perfektion

Am Freitagabend, 18:00 Uhr Ortszeit, ging es im Alexandra Palace, in London besser bekannt als Ally Pally, los. Auf zwei TV-Center-Courts und an sieben weiteren Tischen wurde die Gruppenphase, die ich problemlos überstand, gespielt. Abseits der Fernsehtische ist der Trubel groß und die Boxen sind extrem klein. Trotzdem ist es nicht schwer, sich in das Turnier zu fuchsen, da die Professionalität der Veranstaltung ansteckend ist. Es scheint auf jedes Detail geachtet zu werden – beispielsweise dürfen Spieler ihre Taschen nicht in der Halle lassen. Für diese gibt es einen eigenen Raum in den unendlichen Gängen des Alexandra Palace’. Dies ist zwar tatsächlich nur eine Kleinigkeit, lässt aber die Halle sofort aufgeräumt und besser auf Kameras und Zuschauer vorbereitet wirken. Im Prinzip wird alles mehr auf die Übertragung und weniger auf die Interessen der Spieler ausgerichtet. Natürlich führt dieser Umstand dazu, dass man sich ab und an auf die Zunge beißen muss, aber wenn man letztendlich die Aufmachung sieht, fühlt man sich geehrt, dass um einen herum in solcher Perfektion gearbeitet wird. Insbesondere die Unterschiede zu herkömmlichen Tischtennisveranstaltungen sind immens. Der Aufbau des Center-Courts ist in meinen Augen das Sinnbild einer perfekten und modernen Inszenierung. Optimales Licht mit wechselnden Effekten und Lichtshow, zahlreiche Bildschirme für die Zuschauer, acht Kameras, die das Spektakel einfangen, eine Kommentatoren-Kabine und der durch Darts und Boxen schon weltberühmte Master of Ceremonies John McDonald.

Durch die dreitägige abendliche Live-Übertragung bei den englischsprachigen Sport-Bezahlsendern sind sämtliche Abläufe festgelegt. Abweichungen und Leerlauf gibt es nicht. Die Zeiten sind genauso fixiert wie die exakte Markierung auf dem Boden, von der aus man seinen Einmarsch in die Arena mit den hübschen Ladies beginnt. Ebenso verhält es sich zwischen den Spielen: Eigene Interessen oder Vorbereitungen müssen Live-Interviews und Absprachen mit den Organisatoren weichen. Somit hat jeder Spieler seinen kleinen Beitrag zum Gelingen zu leisten.

Das Niveau steigt und steigt

Sehr interessant ist, dass das spielerische Niveau der Veranstaltung von Jahr zu Jahr deutlich steigt und es ab der Runde der letzten 32 kaum ein unattraktives Spiel gibt. Die Beschränkungen des Sandpapierschlägers lassen zwischen den Top-Spielern immer attraktive Rallys entstehen, die auch für den nicht Ping-Pong- oder tischtennisaffinen Zuschauer nachvollziehbar sind. Einer wusste dies vorher: Barry Hearn mit seiner Sport-Promo-Firma Matchroom Sport und seinem unglaublichen Instinkt für Vermarktungsmöglichkeiten im Sport. Es ist unglaublich, diesen Visionär persönlich kennenlernen zu dürfen.

Das ganze Drumherum und der nicht endende Trubel in der West Hall des Ally Pally machen die sportlichen Tage einerseits wahnsinnig anstrengend und andererseits so aufwühlend, dass man nachts trotz der Ermüdung nicht zur Ruhe kommt. Verschlimmert wurde dies durch meine Setzung an Position zwei, durch die ich immer das letzte Spiel der Runde zu bestreiten hatte. Am Samstag endete mein Spiel gegen Ewgenij Milchin fast Mitternacht. Aufgeputscht mit jeder Faser des Körpers war an Schlaf in meinem „luxuriösen“ 5qm-Zimmer mit optimalem Blick auf den Alexandra Palace nicht zu denken. Doch egal, wie müde man ist: Spielt man am nächsten Tag wieder auf dem Center-Court mit den 1500 Fans, die so nah am Tisch sitzen wie nirgendwo anders, sind alle Leiden vergessen. Ein „Tunnel“ wie dort lässt sich für mich beim Tischtennis kaum erreichen.

Keine Kirmes-Veranstaltung!

Über einen steinigen Weg, auf dem ich sowohl im Achtel- als auch im Viertelfinale gegen Genia Milchin und Chris Doran einen 0:1-Satzrückstand in einen Sieg verwandeln konnte, gelang mir der Einzug ins Halbfinale. Obwohl ich mich perfekt auf die WM vorbereitet habe (Zeigefinger und Daumen sind durch das Sandpapier so abgewetzt, dass ich zeitweise Fingerlinge tragen musste), war dort der dreifache Weltmeister Maxim Shmyrev eine Nummer zu groß und zog zurecht ins Finale ein.

Die World Championship of Ping Pong ist ein einzigartiges Event und auch die Rückmeldungen nach dem Turnier waren riesig… 2000 neue Nachrichten auf dem Handy nach zwei Spielen sprechen für sich. Natürlich hört man immer wieder, dass diese Weltmeisterschaft eine Kirmes-Veranstaltung wäre - ist nicht so! Aber selbst, wenn es so wäre - es gehen mehr Leute auf die Kirmes als in eine Tischtennishalle. :-)

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